In Zusammenarbeit mit der Universität Potsdam richtet das, durch die DFG geförderte, Projekt aus einer mikrosoziologischen Perspektive den Blick auf die illegalen militärischen Gewaltkulturen der osmanischen und habsburgischen Armeen in den sogenannten Türkenkriegen von 1683-1699 und 1714-1718.
Während das osmanischen Reich im Herrschaftsgebiet Wiens seine Bedeutung als Bedrohungsfigur zunehmend verlor, nahm das Bedrohungsgefühl im osmanischen Südosteuropa gegenüber den Konkurrenten stetig zu. Es ist zunächst dieser Bewusstseinswandel vor dem Hintergrund veränderter militärischer Bedingungen, der die Frage nach der Ausgestaltung von Gewaltkulturen in einer Transformationsperiode aufwirft. In strukturgeschichtlicher Hinsicht fielen die beiden Kriege in einen Zeitraum, der als Beginn einer Phase angesehen wird, in der der „moderne Staat“ zunehmend als Gewaltakteur in Erscheinung trat. Homogenisierung und Professionalisierung der Streitkräfte werden als entscheidende Merkmale in diesem Prozess definiert. Damit stellt sich die Frage, ob und inwieweit sich das osmanische Reich in dieses Muster einfügte und strukturelle Veränderungen im militärischen Bereich auf die Ausformung von Gewaltkulturen einwirkten. Die historische Forschung hat sich mit diesem Übergangsprozess in Südosteuropa vorwiegend im Sinne der klassischen Militär- und Diplomatiegeschichte beschäftigt, sodass die Analyse von Gewaltphänomen bzw. die Frage nach Gewaltkulturen bisher noch kaum eingehender behandelt wurde. Unser Forschungsvorhaben beabsichtigt somit einen Beitrag dazu leisten, die Militärgeschichte mit der historischen Gewaltforschung im Rahmen einer Imperiengeschichte enger zu verzahnen und damit den notwendigen interdisziplinären Austausch zu stärken.
Im Rahmen dieses Konzepts werden zwischen drei gewaltaffinen Räumen unterschieden, in welchen die Urheber von Gewalt und deren Opfer, zudem Strukturen und Mechanismen von als illegitim definierten Gewalt untersucht werden: Räume des eigentlichen Schlachtgeschehens, Räume des soldatischen Lebens sowie Räume der zumindest zeitweise vom Krieg direkt betroffenen Zivilgesellschaften. Neben den offiziellen Dokumenten in den Staats- und Militärarchiven in Istanbul und Wien werden die inoffiziellen Quellen wie z.B. Ego- Dokumente, Traktate, Chroniken, Memoiren, Volksgedichte oder Gefangenschaftstagebücher berücksichtigt, die eine mikrosoziologische Analyse der militärischen Gewaltkulturen ermöglichen könnten.