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Laufende Forschungsprojekte

Während die Einbindung Sardiniens in ein breiteres mediterranes Netzwerk bekannt ist, ist die Art und Weise, wie die nuraghische Bevölkerung daran beteiligt war, eher unerforscht. Es bleibt die Frage, ob die Einwohner diese Netzwerke aktiv gestalteten oder eher passive Konsumenten waren. Da letzteres oft implizit angenommen wurde, zielt die Studie darauf ab, die Einbindung der Nuraghen in die maritime Welt und die Beziehungen zwischen den Meeresbewohnern durch die Untersuchung der Mikroregion der Insel Sant'Antioco an der Südwestküste Sardiniens zu beleuchten. Die Bewohner von Sant'Antioco nutzten den maritimen Charakter der Insel bereits in der Jungsteinzeit und im Chalkolithikum, wie ein Netzwerk zeigt, das sich in der Verbreitung von Jaspis und Obsidian widerspiegelt. In der späteren Nuraghenzeit unterstützt die Meeresausrichtung der Nuraghe S'Ega Marteddu bei Maladroxia, Cala Bianca oder Porto di Triga eine ähnliche Annahme für die protohistorische Periode. Eine solche maritime Landschaft ist in der nuraghischen Archäologie noch nie systematisch untersucht worden. Das Projekt soll daher diese Lücke schließen und sich im Rahmen eines landschaftsarchäologischen Ansatzes auf diese Besonderheit konzentrieren.
Als landschaftsarchäologische Studie untersucht das Projekt die täglichen Routinen der Bewohner im Bereich der Subsistenzwirtschaft und des Austauschs sowie ihre Beteiligung an rituellen, sozialen oder politischen Aktivitäten. Mit Hilfe von Fernerkundung, geomorphologischen Untersuchungen, Vermessungen, Ausgrabungen, experimentellen Ansätzen und Unterwasseruntersuchungen rekonstruiert das Projekt die Aufgabenlandschaften der Gemeinden und ihre räumliche Anordnung, um die spezifische Land- und Seelandschaftsaneignung der Bewohner nachzuzeichnen und ihre möglichen Wahrnehmungen und Bedeutungen herauszuarbeiten. Es hat daher das Potenzial, die fast stereotype Vorstellung von der Nuraghenbevölkerung als Bergbewohner und Hirten, die sich auf das Hirtenleben beschränken und dem Meer abgewandt waren, zu durchbrechen, die in der Literatur und der touristischen Vermarktung oft fortgeschrieben wird und teilweise in Erzählungen über die lokale Identität und die Vermarktung eingegangen ist.

Veröffentlichungen im Rahmen des Projekts:
Constance von Rüden, Tim Klingenberg, Marie Usadel. 2023. Grutt’i Acqua and its Hinterland. Some preliminary insights into the exploration of the microregion of Sant’Antioco. In: 2023, Mauro Perra - Fulvia LoSchiavo, Proceedings of the Fifth Festival of the Nuragic Civilization (Orroli, Cagliari). Cagliari: ARKADIA EDITORE.

Constance von Rüden. 2022. Making Landscape. Exploring a Praxeological Approach to Landscape Archaeology. In: Tobias Kienlin – Richard Bußmann (eds), Sociality - Materiality – Practice. Bonn: Habelt, 163-178.

Marie Usadel, Francesco Corgiolu. 2021. Der Brückenbauer. Intervista con Dario Siddi. EX NOVO Journal of Archaeology 6, December 2021, 197-206.

Frank Gfeller, Marie Usadel, Nadja Melko. 2020. Vom Sediment zum Gebrauchsgegenstand - Eine experimentell-archäometrische Fallstudie an Rohstoffen und nuraghischer Keramik der Insel Sant’Antioco. Experimentelle Archäologie in Europa 21, 161-174.

Social Media:
Szenen einer Grabung - Ein Morgen, sechs Jahre später (ASMR)

unterUns - Landschaften und Klanglandschaften

Die alten Nuragher und das Meer. Einblicke in eine praxistheoretische Untersuchung der bronzezeitlichen Landschaft von Sant'Antioco/Sardinien (Vortragsaufzeichnung)

Der Palatin als ‚Wiege‘ Roms weckte schon früh das Interesse der Antiquare, Raubgräber und Künstler. Wie man dabei der Herausforderung der visuellen Dokumentation und Rekonstruktion der sich über 10 ha und mehrere Ebenen erstreckenden antiken Bebauung des Palatins und seiner zahlreichen Funde gerecht werden wollte, welche Techniken und Methoden dabei zum Einsatz kamen und wie mit den dabei entstandenen Bildern Wissen erzeugt und tradiert wurde, steht im Mittelpunkt des Forschungsvorhabens.
In diesem von der DFG geförderten Projekt geht es um den Umgang mit bildlichen Dokumentationen in archäologischen Forschungsprozessen anhand eines größeren topographischen Komplexes. Dabei ist der zeitliche Rahmen weit gespannt und reicht von ersten Plänen und Ansichten des Palatins in der Frühen Neuzeit bis zu aktuellen computergestützten Verfahren der Bildproduktion.
Durch den langen Untersuchungszeitraum treten Veränderungen und Brüche in den Bildern deutlich zu Tage und ermöglichen eine Analyse der dafür verantwortlichen Faktoren. Darüber hinaus kann durch die Langfristperspektive des Projektes auch der Einfluss von früheren Bildern auf die nach ihnen entstandenen Visualisierungen untersucht und somit die Frage beantwortet werden, wie Bildkonventionen entstehen, sich wandeln und die Forschungsfragen und -ergebnisse nachhaltig prägen. Auf diese Weise generiert das Projekt nicht nur neue Informationen zum Palatin und seiner Forschungsgeschichte, sondern auch einen grundlegenden Beitrag zur Praxis der bildlichen Dokumentation und Rekonstruktion als Praktiken der Wissenserzeugung in der Archäologie.
Als zentrales Analyseinstrument wird parallel zur analytischen Monographie ein Geoinformationssystem zur Visualisierungsgeschichte des Palatins („PalatinGIS“) innerhalb der iDAI.world aufgebaut. Es ermöglicht das nachvollziehbare Vergleichen und Auswerten der bereits vorliegenden umfangreichen Datensammlung (ca. 1.700 Digitalisate) aus privaten und institutionellen Archivbeständen. Das GIS wird nach den FAIR-Prinzipien zugänglich gemacht und steht im Anschluss an das Projekt weiteren Forschungen frei zur Verfügung. Im Zuge seines Aufbaus ergibt sich außerdem die Möglichkeit den heuristischen Mehrwert digitaler Datenaufbereitung kritisch zu reflektieren.

Projektleitung: Dr. Barbara Sielhorst

Veröffentlichungen im Rahmen des Projekts:
V. Santoro – B. Sielhorst, I Borbone sul colle degli imperatori. Nuove scoperte sugli Orti Farnesiani al Palatino dall’Archivio di Stato di Napoli, in: Grand’A. Revista semestrale di arte, archivi e architettura, 2023/1, 88–95.

V. Santoro – B. Sielhorst – L. Terzi, I Borbone sul Palatino: Documenti inediti sugli Ort Farnesiani dal 1731 al 1861, RM 128, 2022, 432–471.

K. Ghedi-Alasow – B. Sielhorst, »Karten schaffen Räume«. Reflexionen zum Aufbau eines Geoinformationssystems (GIS) zur Forschungsgeschichte des Palatins in der iDAI.world, FdAI 2022/1, § 1–24.

B. Sielhorst, The Palatine Hill in Rome and its history of research in the 19th century. A report on the latest ›excavations‹ in the archives of Rome. Season 2021, eDAI-F 2021-2, § 1–9.

B. Sielhorst, Fernpraktika am DAI – ein neues Format zur Nachwuchsförderung. Die Fernpraktika des Jahres 2020 und der ersten Jahreshälfte 2021, eDAI-F 2021-1, § 1–5.

 

Gegenstand des geplanten, von der DFG im Rahmen des Walter Benjamin-Programms geförderten Projekts ist eine vergleichende und beziehungsgeschichtliche Auswertung der Biographien deutscher Experten, die an den Modernisierungs- und Reformprozessen des Osmanischen Reiches von 1789 bis 1918 beteiligt waren, die Analyse der sozialen Netzwerke, mit denen sie während ihrer Amtszeit zu tun hatten, sowie die Kartierung der Orte und Institutionen, in denen sie tätig waren. Bei der Beleuchtung dieses Themas sollen Daten verwendet werden, die auf den folgenden drei Analyseebenen gewonnen werden sollen:  
Auf der ersten Analyseebene werden die Modernisierungs- und Reformstudien deutscher Experten, die im Modernisierungsprozess im Osmanischen Reich zwischen 1789 und 1918 tätig waren, mit Hilfe der prosopographischen Methode diskutiert, bei der biographische Daten einer Gruppe systematisch erstellt und analysiert werden. Hauptziel dieser Analyseebene ist es, biographische Informationen über alle im Osmanischen Reich tätigen deutschen Experten, unabhängig von der Unterscheidung zwischen zivil und militärisch, unter Berücksichtigung der Zeiträume und Branchen, in denen sie tätig waren, zu erhalten und die diesbezügliche Forschungslücke zu schließen.
Auf der zweiten Analyseebene werden Fragen formuliert, die den Status der deutschen Experten bestimmen sollen. Mit diesen Fragen sollen die persönliche Situation, die Aufgaben, die Unternehmensbeziehungen und die Interaktionen der deutschen Experten ermittelt und ein "deutsches Expertennetzwerk" geschaffen werden. Die so konfigurierten Daten werden mit der Methode des sozialen Netzwerks anhand der vorbereiteten Fragen analysiert. Der Zweck der Anwendung der sozialen Netzwerk-Methode besteht darin, die Biographien der deutschen Experten zu verstehen, die Reformaktivitäten in den Institutionen, in denen sie arbeiten, zu erklären, die soziale Realität des Zeitraums zu definieren, und die Art und den Grad der sozialen Struktur sowie der Bewegungen innerhalb dieser Struktur zu analysieren. Die Informationen, die durch Infografiken und Schemata zur Analyse sozialer Netzwerke unterstützt werden sollen, werden sowohl in prosopografischen Inhalten als auch in zwei Richtungen auf der zu erstellenden Webseite verwendet
Die Städte und Institutionen, in denen deutsche Experten an der Reform des Osmanischen Reiches arbeiteten, werden auf der interaktiven Karte mit Hilfe der Mapping-Methode auf der dritten Analyseebene des Projekts verankert. Für die Mapping-Studie wird die auf der ersten Analyseebene erstellte prosopografische Datenbank in die Open-Source-Software QGIS für geografische Informationssysteme integriert und durch Hinzufügen der Verteilung der deutschen Experten im Osmanischen Reich, der Zeitleiste und des auf der Grundlage von Stadt, Aufgabe, Besitzverhältnissen und Institutionen gewonnenen Bildmaterials verankert.
Das Forschungsergebnis hat das Potenzial, ein Bezugspunkt für die akademische und kulturelle Forschung in verschiedenen Disziplinen auf lokaler und globaler Ebene zu sein, vor allem für die jüngere osmanische Geschichte und die osmanisch-deutschen Beziehungen.

Projektleitung: Dr. Tunca Özgişi

Wissenschaftliche Arbeiten, die sich mit den Interaktionen zwischen dem Osmanischen Reich und seinen europäischen Partnern befassen, haben sich überwiegend auf die Zeit vor dem 18. und 19. Jahrhundert konzentriert. Dies ist in erster Linie auf die unter Historikern weit verbreitete Ansicht zurückzuführen, dass die politischen, militärischen und kommerziellen Beziehungen des Osmanischen Reiches zu Europa im 15. und 16. Jahrhundert von größter Bedeutung waren. Darüber hinaus konzentrierten sich die über die nachfolgenden Jahrhunderten erstellten Studien auf eine begrenzte Anzahl von Städten und untersuchten hauptsächlich die Beziehungen zwischen nicht-muslimischen Gemeinschaften, wie z. B. orthodoxe Kaufleute. Solche diasporazentrierten Studien neigen dazu, einen nationalistischen oder religiösen Rahmen für die historische Analyse zu wählen, wobei sie die kommunalen Bindungen in den Vordergrund stellen und die gegenseitige Abhängigkeit und die Interaktionen zwischen den verschiedenen Gemeinschaften übersehen.
Durch die Untersuchung der Bewegungen von Individuen und der daraus resultierenden Prozesse, Strukturen und Konsequenzen bietet das Konzept der Mobilität einen wertvollen Rahmen für die Analyse potenzieller Interaktionen und Interdependenzen. Das Hauptaugenmerk dieser Untersuchung liegt daher auf den Mobilitätsmustern der osmanischen Untertanen, die in den Jahren 1823, 1824 und 1825 in den habsburgischen Ländern lebten oder von dort aus reisten. Zu diesem Zweck werden drei umfangreiche Archivregister, die von habsburgischen Behörden im genannten Zeitraum erstellt wurden, einer detaillierten Analyse unterzogen. Es ist jedoch zu beachten, dass der zeitliche Umfang der Register nicht auf die drei Jahre beschränkt ist, in denen sie angelegt wurden. Tatsächlich können einige der in den Registern aufgezeichneten Informationen bis zu fünfzig Jahre vor dem Registrierungsdatum zurückreichen. Die Register enthalten Informationen wie Namen, Alter, Religion und/oder Staatsangehörigkeit sowie gegebenenfalls Angaben zu Familienmitgliedern, den Ort der Registrierung, Beschreibungen von körperlichen Merkmalen und Kleidung, Geburtsdatum und -ort, Beruf und relevante Passdaten einschließlich Ausstellungsgrund, Datum, Ort und Behörde. Darüber hinaus ist bemerkenswert, dass die Register nicht nur faktische Informationen, sondern auch subjektive Meinungen oder Erklärungen des Registerführers zu den registrierten Personen oder Gruppen enthalten können. Außerdem dokumentierten die Register die Absichten der anwesenden Personen in Bezug auf ihren Aufenthalt am Zielort. Ziel dieser Studie ist es, ein umfassenderes Verständnis der sozioökonomischen und politischen Phänomene des späten 18. und frühen 19. Jahrhunderts zu vermitteln, die die Interaktion zwischen Personen aus verschiedenen Gesellschaften ermöglichten, wobei der Schwerpunkt auf allen osmanischen Untertanen liegt, unabhängig von ihrem ethnischen oder religiösen Hintergrund.

Projektleitung: Zeynep Arslan M.A. (Affiliierte Wissenschaftlerin)

In Zusammenarbeit mit der Universität Potsdam richtet das, durch die DFG geförderte, Projekt aus einer mikrosoziologischen Perspektive den Blick auf die illegalen militärischen Gewaltkulturen der osmanischen und habsburgischen Armeen in den sogenannten Türkenkriegen von 1683-1899 und 1714-1718.
Während das osmanische Reich im Herrschaftsgebiet Wiens seine Bedeutung als Bedrohungsfigur zunehmend verlor, nahm das Bedrohungsgefühl im osmanischen Südosteuropa gegenüber den Konkurrenten stetig zu. Es ist zunächst dieser Bewusstseinswandel vor dem Hintergrund veränderter militärischer Bedingungen, der die Frage nach der Ausgestalltung in einer Transformationsperiode aufwirft. In strukturgeschichtlicher Hinsicht fielen die beiden Kriege in einen Zeitraum, der als Beginn einer Phase angesehen wird, in der der „moderne Staat“ zunehmend als Gewaltakteur in Erscheinung trat. Homogenisierung und Professionalisierung der Streitkräfte werden als entscheidende Merkmale in diesem Prozess definiert. Damit stellt sich die Frage, ob und inwieweit sich das osmanische Reich in dieses Muster einfügte und strukturelle Veränderungen im militärischen Bereich auf die Ausformung von Gewaltkulturen einwirkten. Die historische Forschung hat sich mit diesem Übergangsprozess in Südosteuropa vorwiegend im Sinne der klassischen Militär- und Diplomatiegeschichte beschäftigt, sodass die Analyse von Gewaltphänomen bzw. die Frage nach Gewaltkulturen bisher noch kaum eingehender behandelt wurde. Unser Forschungsvorhaben beabsichtigt somit einen Beitrag dazu leisten, die Militärgeschichte mit der historischen Gewaltforschung im Rahmen einer Imperiengeschichte enger zu verzahnen und damit den notwendigen interdisziplinären Austausch zu stärken.
Im Rahmen dieses Konzepts werden zwischen drei gewaltaffinen Räumen unterschieden, in welchen die Urheber von Gewalt und deren Opfer, zudem Strukturen und Mechanismen von als illegitim definierten Gewalt untersucht werden: Räume des eigentlichen Schlachtgeschehens, Räume des soldatischen Lebens sowie Räume der zumindest zeitweise vom Krieg direkt betroffenen Zivilgesellschaften. Neben den offiziellen Dokumenten in den Staats- und Militärarchiven in Istanbul und Wien werden die inoffiziellen Quellen wie z.B. Ego- Dokumente, Traktate, Chroniken, Memoiren, Volksgedichte oder Gefangenschaftstagebücher berücksichtigt, die eine mikrosoziologische Analyse der militärischen Gewaltkulturen ermöglichen könnten.

Projektleitung: Prof. Dr. Markus Koller
Projektbearbeitung: Barbaros Köksal M.A.


Forschungskooperationen

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